Zyklisches Modell – Theater als selbstlernende Selbstorganisierung

Modellierung mit Miro (bereitgestellt vom Fonds Darstellende Künste): Luise Meier

Das zyklisch selbstlernende selbstorganisierende Theater als LABOR und EXPERIMENT

Jede Spielzeit von Spielzeitplanungsphase zu Spielzeitplanungsphase kann als eine Phase des EXPERIMENTS selbstlernender Selbstorganisierung verstanden werden. Alle beteiligten forschen und experimentieren, protokollieren, reflektieren und evaluieren mit. Jedes Element im Labor ist als Teil des Experiments grundsätzlich veränderbar. Manchmal aber lohnt es sich vielleicht, einen Zyklus abzuwarten, um zu schauen, wie sich das Experiment unter den gegebenen Umständen weiterentwickelt. Manchmal muss schnell eingegriffen und verändert werden, damit einem das Ding nicht um die Ohren fliegt. Manchmal verirrt sich ein Element zufällig ins Labor und erzeugt Wechselwirkungseffekte, mit denen niemand gerechnet hat, die niemand vorhergesehen, eingeplant hat. Auch diese Unvorhersehbarkeiten finden ihren Weg ins Protokoll, die Beobachtung und Auswertung – den Lernprozess. Es entstehen immer mehrere Ergebnisse des Produktions- und Selbstlernprozesses: z.B. die Kunstproduktion im engeren Sinne (Produkt und Praxis), die selbstlernende selbstorganisierende Organisation, Veränderungen in den beteiligten Akteur*innen. Das bleiben keine fixierbaren einmaligen Ergebnisse, sondern in jedem Zyklus finden wieder Veränderungen und Lernprozesse statt. Die Veränderbarkeit ist notwendig, damit die Organisation auf Veränderungen, die in der Umwelt stattfinden reagieren kann (auch sich verändernde Bedürfnisse der Akteur*innen, des Publikums, der Nachbar*innenschaft, der politischen Lage, des Klimas etwa). Die solidarische Vernetzung und der Austausch von Ressourcen, Ideen und Erfahrungen mit Initiativen und Nachbar*innenschaft ist auch notwendig, um im Kampf um Ressourcen nicht in Konkurrenzverhältnisse zueinander zu geraten (nicht im nächsten Haushaltsplan etwa gegeneinander ausgespielt werden zu können). Für ein Theater von dem alle etwas haben, werden auch alle streiten. Im selbtorganisierenden Theater werden Entscheidungsprozesse grundsätzlich von unten nach oben entwickelt wobei allen Teilbereichen die größtmögliche Autonomie ermöglicht wird.

PK – PRODUKTIONSKOLLEKTIVE

Produktionskollektive finden sich nach Interessen, Sympathien, ähnlichen Arbeitsweisen, Themen (vielleicht auch denkbar per Losverfahren) o.ä. in der Spielzeitplanungsphase zusammen. Zu ihnen gehören alle, die an der Vorbereitung und Durchführung eines bestimmten Projekts beteiligt sind, also auch Techniker*innen, Pressepersonen usw. In Produktionskollektiven können Profis und Laien, Feste und Freie, Bezahlte und Unbezahlte zusammen arbeiten. Ein Produktionskollektiv kann sich mit dem Ziel einer klassische Bühnenproduktion, einer Werkstattreihe, einer Performance im öffentlichen Raum oder auch eines wöchentlichen Streikcafés und der Anpflanzung eines Dachgartens zusammenfinden. Produktionskollektive sind Arbeitszusammenhänge, die früher oder später auf den Kontakt oder die Zusammenarbeit mit dem Publikum hinauslaufen.
Produktionskollektive entstehen sobald für jede anfallende Aufgabe eine verantwortliche Person gefunden wurde. Ob es zur Umsetzung ihres Projekts kommt und wie ressourcenintensiv (Räume, Materialkosten, Probentage, Spieltage etc.), darüber stimmt sich das PK mit anderen PKs in einem Kooperationsrat-Rat der Produktionskollektive ab. Nur bei unlösbaren Konflikten wird die Entscheidung zur Moderation an den allgemeinen Koop-Rat oder, falls es dort nicht zur Lösung kommt, an die Vollversammlung delegiert. Ziel ist es aber möglichst alle Konflikte durch kreative Lösungen im Koop-Rat beizulegen (z.B. alternative Spielorte, alternative Probenzeiten, Recycling oder gemeinsame Nutzung von Ressourcen o.ä.).

Der Koop-Rat der PKs soll möglichst autonom Synergie und kooperative Potentiale mit dem Ziel der Arbeitszeitreduktion und Ressourcenschonung und größtmöglichen Autonomie aller PKs entwickeln. Hier werden auch Erfahrungen ausgetauscht und vergangene Problemlösungsstrategien reflektiert und archiviert. In den Koop-Rat der PKs werden mindestens eine, besser noch zwei Personen, aus jedem Produktionskollektiv delegiert.
Die konkrete Arbeitsweise wird sich vom Produktionskollektiv selbst gegeben (das kann auch für eine konkrete Produktion z.B. klassische Regie bedeuten, wenn alle einverstanden sind). Das Produktionskollektiv bestimmt demokratisch selbst über Arbeits- und Probenzeiten, Kommunikation nach außen, Inhalte, Formate usw. Ein Produktionskollektiv kann z.B. eine klassische Bühnenproduktion mit Premierentermin und Übernahme ins Repertoire produzieren oder eine Protestoper oder ein Labor, das eine ganze Spielzeit lang (oder mehr) dauert und Zwischenstände öffentlich präsentiert oder eine wöchentliche Veranstaltungsreihe. Ein Produktionskollektiv kann auch als Gastkollektiv ans Haus kommen, das sich dann für die Dauer der Arbeit am Haus um die hauseigenen Mitarbeiter*innen, den Chor oder interessierten Nachbar*innen o.ä. erweitert. Es kann über mehrere Spielzeiten bestehen oder sich nach einer Produktion wieder auflösen. Produktionskollektive unterscheiden sich von Arbeitskreisen dadurch, dass sie Produktionen für den je spezifischen Publikumskontakt produzieren und diesen reflektieren. Je nach den spezifischen Aufgaben, die eine Person im Produktionskollektiv übernimmt, wird sie Teil eines oder mehrerer Arbeitskreise. (Die Lichtdesignerin der Protestoper ist z.B. Mitglied im AK Licht).

AK – ARBEITSKREISE

In Arbeitskreisen finden sich Personen zusammen, die durch ihre Mitwirkung an einem oder mehreren Produktionskollektiven ähnliche Aufgaben übernehmen oder mit den selben Ressourcen oder Infrastrukturen des Hauses arbeiten. Z.B. sind alle, die in den verschiedenen Produktionskollektiven mit Tontechnik arbeiten, Teil des AKs Ton.)
Es kann einen Arbeitskreis der Beleuchter*innen und Lichtdesigner*innen geben, einen Arbeitskreis der Dramaturg*innen/Textarbeiter*innen, der Reinigungskräfte, Eltern und anderer Sorgetragender, der Bühnenbauer*innen, der Holzwerkstattbenutzer*innen oder digitale Infrastruktur u.v.m. In den Arbeitskreisen wird über die Verteilung, die Anschaffung, Wartung und die gemeinsame Nutzung (Synergieeffekte & Recycling) von und den Umgang mit Ressourcen abgestimmt, die die jeweiligen Aufgabenfelder benötigen. Hier werden Methode, Erfahrungen und Wissen weitergegeben, gemeinsame Regeln für Arbeitsprozesse festgelegt und Experimente in Kooperation und mit neuen Materialien und Methoden erdacht und ausprobiert. Im Arbeitskreis wird auch die sinnvolle gemeinsame Nutzung von Werkstattzeiten, Platz auf dem Flyer, oder der Webseite koordiniert. Ist jemand mit seiner/ihrer Aufgabe in einem speziellen Produktionskollektiv überfordert oder stößt auf Probleme, kann der Arbeitskreis beraten, einspringen und weiterhelfen.  

Der KOOP-RAT DER ARBEITSKREISE tritt regelmäßig (z.B. wöchentlich) zusammen, um Erfahrungen auszutauschen und den Austausch und die gemeinsame Nutzung von Ressourcen und Arbeitszeit über die einzelnen Aufgabenbereiche hinaus zu koordinieren. Hier wird entdeckt, dass z.B. Flyer auf das Packpapier vom LED-Bildschirm gedruckt werden könnten :). Hier wird entschieden, ob zuerst eine neue Kreissäge angeschafft wird, oder das Budget nur für die Reparatur der Kreissäge ausreicht, weil die Kasse dringend einen neuen Drucker braucht. Hier wird der Kartoffelberg aus der letzten Inszenierung an den AK-Küfa-und-Kantine vermittelt, wo es morgen anlässlich des Besuchs der Ökolandbaukooperative Kartoffelsuppe aus Performancekartoffeln gibt. Hier werden Regeln für die Nutzung der Werkstätten durch die Nachbar*innenschaft ausgelotet und Workshops für Laien (z.B. in Elektrotechnik) angeboten. Hier wird entschieden, beim allgemeinen Koop-Rat ein*e Expert*in für Solartechnik anzufragen, um herauszufinden, wie die Werkstätten, Büros und Bühnen klimaverträglicher bestromt werden können. Hier wird der AK digitale Infrastruktur beauftragt ein Tool zu (er)finden, mit denen die Kooperation in den Werkstätten koordiniert und die Kommunikation unter allen Technikfritzis einfacher funktionieren kann. Hier meldet sich die AG Kinderbetreuung oder der benachbarte Kindergarten, weil sie Holzreste für die nächste Bastelrunde brauchen oder weil sie die Hollywoodschaukel aus der vorletzten Produktion gerne für ihren Garten hätten. Hier entscheiden sich die Cis-männlichen Kollegen, dass sie so progressiv sind, dass sie sich zusammen einen Workshop zu kritischer Männlichkeit organisieren, den sie dann beim gemeinsamen Küfa-Dienst noch reflektieren können. Hier geht’s nicht nur ums knuffen, hier wird auch der offene Betriebs-Chor gegründet, die Geburtstagsparty von Jasmin und die Bildungsreise zum selbstorganisierten Logistik- und Kurierfahrer*innenkollektiv organisiert. 
Der Koop-Rat der Arbeitskreise und der Koop-Rat der Produktionskollektive finden formal wöchentlich statt, Konflikte, Lösungsvorschläge, Ideen und Experimente, die dort diskutiert werden, entwickeln sich aber informell auch in der Kantine, in der Kaffeeküche, vor der Tür des Kinderzimmers, bei der Anprobe, in der Raucherecke, beim Sägeblattwechsel, Papierstauentfernen am Drucker und WD-40-Ausleihen.

REFLEXIONSSTRUKTUR

Die Produktionskollektive reflektieren neben ihren Formaten, Inhalten und Arbeitspraktiken auch ihren Kontakt zum Publikum. Der Koop-Rat der Produktionskollektive gibt sich eine Struktur und Stelle, die mit Zuschauer*innen, externen Theater- oder Kultur-Expert*innen, Kritiker*innen und Inis in den Austausch tritt. Was wünscht ihr euch? Was hat euch gefallen? Was nervt am Theaterbesuch?…Diese Kritik und Erfahrung wird archiviert und reflektiert und führt gegebenenfalls zu neuen Kollaborationen, Format- und Themenideen. Die PKs reflektieren aber auch regelmäßig über ihre internen Erfahrungen und entwickeln so ihre Arbeitsweisen weiter – also lernen. Wenn sie intern nicht weiterkommen oder besonders tolle Arbeitsweisen, Praktiken und Umgangsformen herausfinden, gehen sie damit in den Koop-Rat der Pks und holen sich Hilfe oder geben funktionierende Praktiken und Erfahrungen weiter. Erfahrungen und Erkenntnisse, die auch anderen PKs weiterhelfen, werden an den allgemeinen Koop-Rat und den Koop-Rat der Arbeitskreise weiterverschenkt und womöglich auch noch in die Vollversammlung und nächste Spielplanungsphase weitergetragen. 
Laien und Profis, die in den Arbeitskreisen organisiert sind, reflektieren ihre Werkzeuge, Arbeitsprozesse und Arbeitsweisen. Welche Konfliktlösungsstrategien haben sich bewährt, auf welche völlig abgefahrenen Lösungen sind wir gekommen, warum hat das letztens eigentlich so toll funktioniert und heute nicht? Warum hat die Kollegin Burn-Out bekommen? Welche Form der Einarbeitung brauchen Laien, damit die Arbeitssicherheit gewährleistet ist, aber trotzdem Barrieren abgebaut werden? Auch hier gilt, Probleme, die intern im AK nicht gelöst werden können oder besonders gute Lösungsstrategien und Ideen werden an den Koop-Rat der AKs weitergegeben, wo Kolleg*innen Kolleg*innen beraten oder voneinander lernen. Besonders komplexe Konflikte und verallgemeinerbare Lösungsstrategien werden in den Methodenkatalog aufgenommen und an den allgemeinen Koop-Rat bzw. die Vollversammlung verschenkt. Der Koop-Rat der Aks bestimmt eine Struktur und Stelle für den Erfahrungsaustausch mit anderen selbstorganisierten Strukturen. Hier melden sich auch Nachbar*innen, die nicht nur zuschauen, sondern mitmachen wollen. Sie formulieren vielleicht als Neueinsteiger*innen Kritik oder bringen neue Ideen mit, die in die Reflexion der AKs Eingang finden. 

DER ALLGEMEINE KOOP-RAT – BLICK VON AUßEN, REFLEXION UND SYNERGIE

Der allgemeine Koop-Rat (Kooperationsrat) setzt sich aus Delegierten der Arbeitskreise und Produktionskollektive bzw. ihrer Räte zusammen. Er sammelt die Reflexionen, Konfliktfelder und Lösungsstrategien aus den AKs und PKs und kann, wo dringender Handlungsbedarf besteht und sich Aks oder PKs hilfesuchend an ihn wenden, Ressourcen zur Konflikt- oder Problemlösung organisieren. Das können externe Expert*innen sein, eine erfahrene Moderation oder Mediation, die Beantragung weiterer Fördergelder oder auch mal der Kontakt zu einer Metallwerkstatt mit funktionierendem Schweißgerät. Manchmal ist es aber auch einfach nur der Blick von außen, der was sehen kann, was von innen zu nah dran ist. Erste Frage ist immer: was braucht ihr, um das Problem selbst zu lösen? (= Pfeil nach unten)
Manche Probleme brauchen langfristige Lösungen und manche Erfahrungen zeigen, dass sich an der Organisationsstruktur auf lange Sicht etwas ändern muss. Der allgemeine Koop-Rat sammelt genau diese Sachverhalte, notiert sie und erarbeitet Vorschläge für Strukturveränderungen zur nächsten Vollversammlung bzw. Spielzeitplanungsphase. Hierbei ist das wichtigste Kriterium, ob wir mit den Strukturen, die wir haben, in der Praxis den Zielen der Selbstorganisation gerecht werden oder nicht (zu den Zielen gehört auch, dass es den Beteiligten gut geht). Wenn nicht, müssen sich die Ziele ändern (z.B. war das Ziel Weltrevolution vielleicht doch zu groß) oder unsere Strukturen (z.B. um Arbeitszeit zu reduzieren, Sperrzeiten oder maximale Stundenzahl einführen). Die Tagesordnung der nächsten Vollversammlung entwickelt sich somit im Idealfall automatisch aus der Reflexion der konkreten Praxis. Lösungsvorschläge werden in den Koop-Räten und im Austausch mit externen Expert*innen gesammelt und in der Vollversammlung vorgestellt, um Feedback ergänzt und abgestimmt. Sollte sich herausstellen, dass Lösungsvorschläge nicht ausreichen oder angenommen werden, wird nicht in der Vollversammlung diskutiert, sondern in spontan entstehenden Arbeitsgruppen werden Alternativen bzw. Kompromisse erarbeitet und dann in der VV wieder zur Abstimmung gestellt.

DIE VOLLVERSAMMLUNG [VV]

Die Vollversammlung ist ein Ort der Abstimmung- und Information. Wenn hier Diskussions- oder Konfliktlösungsbedarf entsteht, wird versucht ihm in AGs oder Workshops dezentral gerecht zu werden. Im Ernstfall wird die Vollversammlung vertagt und eine neue Vorbereitungsrunde zwischengeschaltet. Argumente wurden im besten Fall durch gute Vorbereitung und Informationsaustausch über Delegierte in Koop-Räten der AKs und PKs oder extra einberufenen Arbeitsgruppen, Workshops oder Inputveranstaltungen zum entsprechenden Thema ausgetauscht und aufbereitet. Fragen, über die die Vollversammlung abstimmt sind entweder Fragen, die nicht in AKs und PKs bzw. Koop-Räten gelöst werden konnten, weil sie in der Konsequenz alle betreffen oder die Mitwirkung und Zustimmung aller benötigen. (Eine Forderung nach niedrigeren Eintrittspreisen etwa oder eine Soliaktion, ein Streik, oder die Veränderung der Lohnstruktur). Generell gilt, dass nur diejenigen abstimmen, die von Entscheidungen auch direkt oder indirekt betroffen sind, d.h., dass die meisten Entscheidungen in den Koop-Räten (AKs, Pks und allgemeiner Koop-Rat) getroffen werden können. Der allgemeine Koop-Rat ist immer ansprechbar, um Kritik, Bedürfnisse und strukturellen Veränderungsbedarf in die Vorbereitung der VV aufzunehmen und zur Erarbeitung von Vorschlägen AGs zu gründen. Wird ein Bedarf an den allgemeinen Koop-Rat herangetragen erarbeitet dieser in Abstimmung mit der jeweiligen Person oder Delegierten einen Fahrplan (z.B. 1. AG-Gründung, 2. Erfahrungen sammeln, 3. Expert*innen befragen, 4. Vorschläge erarbeiten, 5. Vorschläge in Koop-Räten streuen… Vorschläge in VV abstimmen lassen). Betroffene können sich durch von ihnen explizit beauftragte Vertreter*innen vertreten lassen. Allerdings sollte vermieden werden, dass sich Leute ohne expliziten Auftrag zu Vertreter*innen Betroffener machen. Bedarf kann auch von außerhalb angemeldet werden, auch dann wird ein Fahrplan erarbeitet, auch wenn dieser nur sagt: “Wir stimmen das ab und melden uns bis dann und dann, wie es weiter geht”. Es sollte möglichst verhindert werden, dass Bedürfnisse das erste Mal auf der VV geäußert werden. Diese hier beschriebenen Strukturen betreffen nur Bedürfnisse, bei denen es nicht um Fragen von Awareness geht. Betroffenen von Machtmissbrauch, Diskriminierung usw. steht mit dem Awareness-Team eine spezialisierte und parteiische Struktur zur Verfügung.

AWARENESS-TEAM UND AWARENESS-PROTOKOLL FÜR INTERNE KRISEN

Sowohl Awareness-Team als auch Awareness-Protokoll werden in der Spielzeitplanungsphase erarbeitet, diskutiert und schließlich durch die Vollversammlung abgestimmt. Das heißt, alle erklären sich einverstanden, dass dieses Team nach diesem Protokoll in klar definierten Fällen eingreift. Alle haben mindestens einmal gehört, welche Situationen als Fälle von Machtmissbrauch und Diskriminierung gelten, in welchen Fällen also ihre Solidarität gefragt ist und was auf sie zu kommt, wenn sie Awareness-Regeln verletzen. Betroffene wissen, wie die Unterstützung aussieht und können sich auf die vereinbarten und abgestimmten Reaktionen verlassen. Die Awareness-Arbeit findet auf Grundlage der Parteilichkeit mit Betroffenen statt. Das Awareness-Team weiß, dass alle personell und methodisch hinter dem Team und dem Verfahren stehen. In der Spielzeitplanungsphase kann die Awareness-AG Vorschläge erarbeiten, welche Expert*innen, welche Workshops o.ä. sie brauchen, um zur Awareness-Arbeit befähigt zu werden. Das Awareness-Team ist hauptsächlich für interne Konflikt- und Krisensituationen zuständig, ist aber auch erste Ansprechpartner*in sollte es zu missbräuchlichen Situationen durch externe Personen kommen oder falls Besucher*innen von missbräuchlichen Situationen durch interne Personen betroffen sind. Sollten die Erfahrungen des Awareness-Teams zeigen, dass Strukturveränderungen notwendig werden, trägt sie diese Forderung an die Koop-Räte der PKs oder AKs oder falls es um übergeordnete Strukturen geht an den allgemeinen Koop-Rat. Das Team Awareness ist kontinuierlich Ansprechpartnerin für interne Mitarbeiter*innen. Awareness-Teams für öffentliche Veranstaltungen (Partys, partizipative Formate o.ä.) können nach einem Workshop aus Freiwilligen gebildet werden, das gewählte Awareness-Team bleibt hier aber beratend im Hintergrund.

AWARENESS-TEAM UND PROTOKOLL FÜR EXTERNE KRISEN

Nach den Corona-Erfahrungen, in der sich verschärfenden Klimakrise, nach dem Streik der Krankenhausbeschäftigten in Berlin und NRW und dem Kriegsausbruch in der Ukraine, wird es notwendig in die Selbstorganisierung eine Struktur zur Bewältigung von und Reaktion auf externe Krisen einzubauen. Hier geht es vor allem um die schnelle Informationsbeschaffung, Erarbeitung von Handlungsoptionen, Kommunikation ins Haus und Einberufung einer Vollversammlung, bzw. Ermöglichung einer schnellen Online-Abstimmung. Hier wird der Versuch unternommen, allen mit dem Theater einen Ort zu geben, an dem auch externe Krisen gemeinsam verarbeitet werden könne, wo sie in die Reaktion kommen und nicht in Isolation und Ohnmacht der Situation ausgeliefert sein müssen. Auch das Protokoll für das Team externe Krisen wird in der Spielzeitplanungsphase erarbeitet und abgestimmt, auch das Team wird durch Wahl bestätigt. 
Es kann z.B. bei Verkündung massiver Kürzungen im Kulturbereich eine VV einberufen, auf der ein Streik oder Protest beschlossen wird, oder Solidaritätsaktionen mit x oder die Verwandlung des Theaters für einen bestimmten Zeitraum in etwas anderes (Unterkunft für Geflüchtete, Zentrum der Protestorganisation, Mutual Aid-Center o.ä.). Weil auch hier auf der VV ein Protokoll beschlossen wurde, wissen alle, wie eine Ad-hoc Online-VV abläuft, oder, wie hier Mitbestimmung kommuniziert und im Schnellverfahren ermöglicht wird.  

WORK IN PROGRESS

Das zyklisch selbstlernende und selbstorganisierende Theater ist ein Work in Progress, Arbeitsstand und Aufschlag. Seine Struktur versucht der Veränderbarkeit Platz bzw. Leer- und Lehrstellen einzuräumen, also Mitbestimmung in ihrer Offenheit strukturell zu verankern. Einige weiterführende Ideen bzw. an das Modell andockende Strukturen werden hier kurz vorgestellt.

FÖDERATION UND VERNETZUNG UND ÜBERREGIONALE REFLEXION

Es wäre toll und wichtig, in unser Modell von Selbstorganisation eine Netzwerkstruktur (eine regelmäßige Konferenz/ ein Netzwerktreffen) der Selbstorganisierungs-Prozesse (an anderen Theatern oder in anderen Betrieben) aufzunehmen, wo regelmäßig Erfahrungen und Methoden ausgetauscht, zugänglich gemacht und gestreut werden. Auch wieder (wie bei der Vernetzung mit der Nachbar*innenschaft), um nicht in Konkurrenz zu geraten, sondern voneinander zu lernen. Ziel ist ein föderativer Theaterrat und ein Netzwerk (mit Arbeitsplatz-Tauschbörse etwa), wo Leute auch von einem Theaterlabor ins andere wechseln können. Aber auch überregional könnte es einen Austausch von Produktionskolletiven und Arbeitskreisen je nach Themen oder Praktiken usw. geben, gerade auch um Ideen zur Ressourceneinsparung bzw. zum Ressourcenaustausch zu teilen. Ein Programm für die kollektive Echtzeitplanung der Raumnutzung kann z.B. ziemlich leicht für mehrere Häuser programmiert werden. Aber auch Gastspiele könnten nochmal neu gedacht werden (dass z.B. nicht das Ensemble und Bühnenbild anreisen, sondern zwei Produktionskollektive nur Texte und Erfahrungen tauschen und daraus etwas anderes neues, eine Ab- und Weiterleitung, an ihrem Haus machen.)

SOLIDARITÄTSFONDS

Der Solidaritätsfonds basiert auf dem Grunprinzip Mutual Aid und darauf, die Individuen nicht mit den (v.a. auch historisch gewachsenen und ökonomisch zementierten) gesellschaftlichen Widersprüchen allein zu lassen. Bei einem strengen EInheitslohnmodell könnte er sich aus freiwilligen Abgaben von Menschen finanzieren, die geerbt haben, Wohneigentum besitzen oder aus anderen Institutionen hohe Gehälter bzw. Honorare beziehen, um nur einige zu nennen.

      • Sorgearbeiten und spezifische Belastungen werden als erstes zu kollektivieren versucht, also z.B. wird aus dem Fonds eine Kinderbetreuungsstruktur finanziert anstatt Betreuungsprobleme auf die individuellen Sorgeberechtigten auszulagern. 
      • Soziale Härten und über den Lohn hinausgehende Belastungen werden aus dem Fonds getragen, das kann durch finanzielle Hilfen oder Organisierung geschehen.
      • Aus dem Solidaritätsfonds wird eine Person oder ein Soli-Arbeitskreis finanziert, die/der bei der Beantragung staatlicher Hilfen (z.B. bei Betreuungsbedarf nahestehender Personen) und Organisierung von Peer-to-peer-Sorge- und Gesundheitsnetzen unterstützt. 
      • Der Soli-Arbeitskreis ist erste Ansprechpartner*in für alle Bedürfnisse (Stichwort Diversität), die bei Involvierten auftauchen und reflektiert, dokumentiert Methoden, Experimente, Lernerfahrungen und Lösungsansätze im Umgang der gesamten (!) Organisation mit dieser Diversiät.  
      • Aus dem Soli-Arbeitskreis/ Solidaritätsfonds können sich nicht-monetäre Lösungen für Probleme entwickeln: z.B. Rückzugsräume, Familienküfa, Lager, Tauschbörse, Verleih und Reparaturwerkstatt für technische Geräte, Kinderkleidung und -Zubehör, usw., die auch mit dem Ziel der Theaterorganisierung, z.B. weniger Ressourcen zu verbrauchen, übereinstimmen. 
      • Aus dem Solidaritätsfonds werden Reise- und Weiterbildungskosten getragen.  
      • Aus dem Soli-AK/Solidaritätsfonds können Ferienlager und Ferienbetreuungen für Kinder organisiert werden. 
      • Wo der Soli-AK/ Solidaritätsfond Ressourcen oder Kapazitäten dafür hat oder die dringende Notwendigkeit sieht, kann er die Nachbar*innenschaft einbeziehen.

VORBEREITUNGSPHASE

Die Modellierung der Vorbereitungsphase basiert auf Konzepten des Organizing. Zentral ist dabei, dass die Trennung zwischen Organisierenden und Organisierten, Enabler*innen und Enableten, Planendenden und Eingeplanten möglichst umgehend aufgehoben wird, also wirklich Selbstorganisierung entsteht.

Modellierung mit Miro (bereitgestellt vom Fonds Darstellende Künste): Luise Meier